Pflegeheime und Katastrophenvorsorge

Eine umfassendere Systematik ist für die stationäre Altenhilfe und ihre Absicherung in Pandemien und Katastrophenlagen erst dann im Sinne des Bevölkerungsschutzes zufriedenstellend hergestellt, wenn die stationäre Altenhilfe gesetzlich als Kritische Infrastruktur definiert ist und unter das KRITIS fällt. Das ist bisher nicht der Fall, im Unterschied zu Kliniken.

Wir standen in Süddeutschland insbesondere in Frühjahrsmonaten bei geringem Wind und geringer Sonne und hohem Grundlastbedarf wiederholt in den vergangenen Jahren vor der Gefahr eines Blackout (Stromausfall). In einem Fall haben uns die Schweizer geholfen und entgingen selbst dabei nur knapp der Unterschreitung der für die Stabilität notwendigen Netzfrequenz von 50Hz, in einem anderen Fall waren es die Österreicher.

Pflegeheime oder Eingliederungshilfeeinrichtungen in B.-W. haben keine gesetzliche Auflage, Notstromaggregate vorzuhalten. Und ohne gesetzliche Verpflichtung würden diese auch nicht refinanziert. Das gleiche gilt für Notwasserbrunnen oder für die Kosten etwaiger Lagerhaltung von Lebensmitteln, usw.

Bei einem großflächigen Blackout dauert es bis zum Wiederhochfahren der Anlagen mehrere Tage. Wie kommuniziert man ohne Strom und Handyaufladung und ggf. leerem Speicherpuffer der Sendeanlagen mit dem dann sicherlich eingerichteten Lagezentrum des Katastrophenschutzes? Welcher Pflegeheim- oder Eingliederungshilfeträger besitzt die Führungsinstrumente, die dann ohne Strom oder Generator – zudem auf der richtigen Frequenz angesichts der aktuellen bundesweiten Neuordnungen – funktioniert? Wie werden die vielfältigen logistischen Notwendigkeiten zur Versorgung der Bewohner und Mitarbeitenden sichergestellt, von Lebensmittelanlieferung bis zur Zubereitung, von der Koordinierung der Materialanlieferungen bis zur Frage der Treibstoffvorräte, falls die Pumpen der Tankstellen ohne Strom nicht funktionieren? Wie erreichen einen aktuelle Lagemeldungen? Wie wird die notwendige Schnittstelle zu den Kliniken eingerichtet? Und, was ist vorzusehen, damit die die Mitarbeitenden überhaupt ihren Dienst antreten können und deren Familien versorgt sind?

Im September 2019 startete die Evangelische Stadtmission Karlsruhe (ESK), Gründungsmitglied des Pflegebündnis TechnologieRegion Karlsruhe e.V., daher das Projekt „Notfallvorsorge im Falle eines Blackouts“. Mit Andreas Kling, selbstständigem Berater und Dozent für Logistik, Bevölkerungsschutz und Auslandseinsätze, ehrenamtliches Mitglied des VOSTbw, wurden die Grundlagen für eine bessere Resilienz für Pflegeheime und Eingliederungshilfeeinrichtungen im Stadt- und Landkreis Karlsruhe erhoben. Die Analyseergebnisse waren übrigens auch zur Steuerung in der ersten Corona-Krise hilfreich.

Zu Beginn des Projektes wurde eine Risikoanalyse nach den Vorgaben des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) durchgeführt. Darauf aufbauend wurden dann die eigenen Planungen für Netzersatzanlagen einschließlich Treibstoff, für eine Trinkwassernotversorgung und hinreichende Betreuung der Bewohner vorangetrieben. Doch die Corona-Krise blockierte das Projekt, zugleich wurde noch deutlicher: Außerhalb der befristeten Geltung der Corona-Vo B.-W. und den wirksamen Steuerungsmaßnahmen des Verwaltungsausschusses von Stadt und Landkreis findet eine zielgerichtete Risikokommunikation und Katastrophenvorsorge von Seiten der Katastrophenschutzbehörden bisher nicht oder nicht ausreichend statt.

Das COVID-19-Virus hat nun allen aufgezeigt, dass der Bevölkerungsschutz neben den kritischen Infrastrukturen gemäß BSI-KRITIS, worunter Kliniken aber nicht Pflegeeinrichtungen fallen, alle systemrelevanten Berufe und vulnerable Gruppen berücksichtigen muss. Dies gilt insbesondere für Pflegeheime, denn bis zu 50 Prozent der Todesfälle nach einer COVID-19 Erkrankung in Europa seien laut WHO in Pflegeeinrichtungen vorgekommen.

Eine effiziente Katastrophenbewältigung wird nur dann funktionieren, wenn neben der staatlichen auch eine eigenverantwortliche, betriebliche und private Notfallvorsorge existiert und refinanziert wird.

Sowohl für die Pandemie als auch für das Risiko eines großflächigen, langanhaltenden Stromausfalls (Blackout) kann niemand mehr für sich in Anspruch nehmen, dass es sich dabei um „schwarze Schwäne“ handeln würde. Für beide Szenarien gibt es längst entsprechende Untersuchungen und Analysen, die Eintrittswahrscheinlichkeiten und mögliche Schadensausmaße entsprechend beschreiben bzw. beschrieben haben. (wie den Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz 2012, Bundesratsdrucksache 17/12051 vom 03.01.2013, oder die TAB-Studie3 für den Stromausfall).

Daher hat das Pflegebündnis TechnologieRegion Karlsruhe e.V. in seiner letzten Mitgliederversammlung entschieden, eine Arbeitsgruppe zur Notfallvorsorge einzurichten. Weitere Schritte werden folgen.

Dr. Michel, ehemaliger stellv. Vorsitzender Pflegebündnis TechnologieRegion Karlsruhe e.V.

Gruppe 7@2x